Hans Alver

Hans Alver – der legendäre Bürgermeister von Haapsalu

Hans Otto August Alver wurde am 11. April 1887 in Valga geboren. Zunächst studierte er am Progymnasium Valga und danach am Gymnasium Pärnu, das er im Jahr 1907 absolvierte. Anschlie?end wurde er an der medizinischen Fakultät der Universität Tartu eingeschrieben. Im Jahre 1918 absolvierte er die Universität als diplomierter Arzt. Während des I. Weltkireges war er als Arzt bei der russischen Armee tätig. Nach dem Universitätsabschluss begab sich Dr. Alver in den Landkreis Läänemaa und wurde dort freier praktizierender Arzt in Lihula (1918-1919). Am estnischen Freiheitskrieg beteiligte er sich als Oberarzt beim Kuperjanow-Bataillon. Nach dem Kriegsende lie? er sich wieder im Landkreis Läänemaa nieder, wo er im Jahr 1920 zum Landarzt gewählt wurde. Auf dieser Stelle war er bis zum Jahr 1931 tätig, wobei er gleichzeitig über kürzere Perioden Leiter des Landkrankenhauses Läänemaa war. 1921 wurde Dr. Alver in den Stadtrat Haapsalu gewählt. Im selben Jahr wurde auf seine Initiative hin der Verein zur Verschönerung der Stadt Haapsalu gegründet.

Zur Politik in Haapsalu

Ende der zwanziger Jahre waren die Stadteinwohner von Haapsalu mit ihren Ratherren gar nicht zufrieden. Wenn man in den Zeitungsnummern 1928-1929 der Lokalzeitung ‚Lääne Elu ‚ blättert, fällt auf, wie heftig seinerzeit die Opposition zwischen der Stadtverwaltung und dem Stadtrat war. Das Sündenregister der Stadtverwaltung war schon ziemlich lang geworden. Fast alle Versammlungen im Rathaus wurden in der Zeitung scharf und mit kritischem Wortlaut bedacht. Bekannt für seine demokratischen Ansichten, voller Energie und organisatorischer Fähigkeiten, geriet Alver mehrmals in die Kritik der regierenden Beamten und ihrer Befürworter (jedoch nicht in der Zeitung ‚Lääne Elu‘). Im Stadtrat galt er als der hervorragendste Vertreter der sog. ‚Gegenpartei‘, die im Stadtrat die eigentliche Mehrheit bildete. In den Spalten der Zeitung ‚Läänemaa‘ (die als Sprachrohr der Stadtverwaltung fungierte) versuchte man, gegen Alver Beschuldigungen zu erheben. Daraufhin antwortete der Doktor seinerseits in ‚Lääne Elu‘ mit den Worten, die seine Ansichten gut verbildlichen: ‚Ja, quo vadis – wo gehst Du hin, Alverss Ich gehe meinen herkömmlichen, aber einfachen geraden Weg in Richtung besserer Zukunft, die einzutreffen hat und wird, spätestens für unsere Kinder, trotz der Aasflieger; und deshalb bekämpfe ich nach meinen Kräften gegen die nach wie vor minderwertigen Elemente, die unserer Stadt und dem Vaterland schaden.

Alver wird Bürgermeister

Ende Juli des Jahres 1929 geriet die Suche nach einem neuen Bürgermeisterkandidaten auf die Tagesordnung. Die Krise wurde durch die vitale Opposition des Stadtrates gelöst. Bei der Person des Bürgermeisters gelangte man zu einer einmütigen Einigung – Hans Alver wurde zum Bürgermeister ernannt. Am 26. August 1929 waren die neuen Stadtväter ins Amt getreten und ‚Waisengericht, Feuerwehrsachen, Kurortwesen, Parks und Alleen, Erziehungswesen und allgemeine Leitung der Sachbearbeitung und des Haushalts der Stadt‘ (LE, 31. August 1929, Nr 35.) wurden der Leitung von Alver unterstellt. Von nun an verschwanden in der Presse die die Stadtverwaltung prügelnden Beiträge. Es war anzunehmen, dass im Rathaus bald Ordnung herrschen würde. Und so geschah es auch. Die Folgejahre waren für Haapsalu sehr erfolgreich.

Wozu man alles fähig war!

Ungeachtet des Geldmangels wurde Vieles zustande gebracht: Es wurde mit dem Anlegen der Wasserleitungen, mit der Stra?enpflasterung begonnen. Die Errichtung eines Abwassernetzes wurde von Alver für sehr wesentlich gehalten, er prognostizierte sehr genau, dass das städtische Abwasser im Verlaufe von 50 Jahren die umliegenden Meerbusen vom Kurort zum Krankheitsherden verwandeln könnten. Es wurden Alleen bepflanzt, die Grundlage für den ‚Afrika-Strand‘ geschaffen, die Stadt verschönert usw. Hinter all dem war die leitende Hand von Alver zu spüren. Gleichzeitig nahm er an balneologischen Veranstaltungen in Europa und sogar in Amerika teil, lernte hervorragende Errungenschaften kennen und versuchte, dies im Rahmen der örtlichen beschränkten Möglichkeiten umzusetzen. Es war für Haapsalu ein Vorteil, dass der Arzt, der auf dem Bürgermeisterstuhl sa?, mit breitem Blickwinkel und von aufgewecktem Wesen war; vom Letztgenannten zeugt auch sein tiefes Interesse an der lokalen Geschichte. In 1929 wurde unter Anleitung von Alver der Verband Museum des Landkreises Läänemaa ins Leben gerufen. Der ältere und wertvollere Bestand des heutigen Museums des Landkreises umfasst gerade die in jener Zeit gesammelte und für diesen Landkreis charakteristische historische Gegenstände.

Sie haben ja Alver!

Die Stadt konnte auf ihren ‚ersten Bürger‘ wirklich stolz sein. Die hohen Beamten aus der Hauptstadt meinten ja öfters: ‚Ihnen fehlt ja nichts, Sie haben ja Alver!‘ Am 9. April 1932 wurde in der Zeitung ‚Lääne Elu‘ die Frage gestellt, warum auf Haapsalu geradezu ein Loblied gesungen wird und ebenda steht auch die Antwort: ‚Aber natürlich deswegen, weil die ehemalige dreckige Fischerstadt sich in eine kulturelle Badestadt gewandelt hat. Und wenn wir die Frage so stellen, wer denn die Stadt mit einer Zauberrute berührt hat, dann können wir darauf die Antwort geben, dass sich Dr. Alver sehr gewichtig dazu geopfert hat.‘ So war der Bürgermeister, durch den Blick und die Worte der Zeitgenossen gesehen. Er wurde geehrt, sein offenes Lächeln, Optimismus und Phantasieflug wurden bewundert. Und dann kam alles zum Ende. Am 14. Juni 1941 wurde die Familie Alver zwangsweise deportiert. Hans Alver starb am 23. November 1943 im Ural.

Kalli Pets
Oberinspekteur der Abteilung Nordwest-Estland der Denkmalschutz-Inspektion